Die Stadt mit vier Sinnen erleben

In der Schweiz leben ungefähr 325’000 sehbehinderte Personen, 10‘000 von ihnen sind blind. Paul Betschart lebt und arbeitet seit vierzig Jahren in Basel. Wenn er in der Stadt mobil ist, muss er sich ohne Augenlicht selbständig orientieren und fortbewegen. Basel unterwegs hat mit ihm ein spannendes Gespräch über seine alltäglichen Wege geführt.

15494 32 Sinne Basel unterwegs

Paul Betschart arbeitet am Empfang des Blindenheimes Basel. Hier erledigt er auch immer wieder Kurierdienste und lernt viele Wege durch die Stadt auf eigene Faust kennen. Paul verlässt sich stets auf sein Gefühl und die Hilfe von Mitmenschen bei der Frage nach dem Weg. Seine Taktik: Eine Wegbeschreibung erfragen und anschliessend das Neue erkunden.

Er berichtet schmunzelnd: „Ich ging oft spielerisch an neue Wege heran. Ich verglich die Wegbeschreibung der Passanten mit meiner persönlichen Wahrnehmung des Weges und konnte dann feststellen, wie akkurat mir der Weg beschrieben wurde.“ Mit seiner offenen und kommunikativen Art kommt Paul so stets an sein Ziel. Natürlich geht er seine neuen Routen mit Respekt an und verlässt sich hier speziell auf seine verfügbaren Sinne.

Orientierung und Mobilität
Es gibt eine Vielzahl von Techniken sich mit eingeschränktem oder ohne Sehvermögen zu orientieren. Man kann beispielsweise die Schritte zu gewissen Orientierungspunkten zählen. Häufig werden geschulte Mobilitätstrainer gebucht, die die Wege auf Gefahrensituationen und Orientierungspunkte untersuchen.

Mit dem weissen Stock können Sehbehinderte Hindernisse taktil erkennen und rechtzeitig umgehen oder ihren Weg z.B. entlang einer Hausmauer finden. Neben der Tast- und Orientierungsfunktion hat der weisse Stock auch eine Erkennungsfunktion: Er macht den sehbehinderten Menschen als solchen erkenntlich. Im Strassenverkehr haben Menschen mit einem erhobenen weissen Stock auch dort Vortritt, wo sich kein Fussgängerstreifen befindet.

Schatten und Gerüche
Wege und neue Routen versucht sich Paul mit allen seinen Sinnen einzuprägen. So helfen ihm die Bodenbeläge, Trottoirs, Hinweisstangen an Strassen und Leitlinien an vereinzelten Plätzen. Doch dies ist längst nicht alles – auch Schatten und Gerüche dienen der Orientierung, z.B. bei der Suche nach einem speziellen Laden. Bei den akustischen Signalen an Ampeln verlässt er sich auf sein Gehör und prüft so zusätzlich den Stillstand des Verkehrs. Problematisch ist es allerdings, Elektroautos und Velos zu erkennen.

Leitlinien und Akustik
Gerade für ortsfremde Personen mit Sehbehinderung ist der Gang zu öffentlichen Einrichtungen oft schwierig und es muss auf ein Taxi oder eine Begleitung zurückgegriffen werden. Mit am Boden angebrachten Leitlinien können sich Menschen mit einer Sehbehinderung selbständig orientieren. Blinde Menschen können ihren weissen Stock über die erhöhten Streifen „wischen“. Menschen mit Sehbehinderung helfen die weissen Linien zur visuellen Orientierung. Aus diesem Grund ist es wichtig, die weissen Linien nicht zu verstellen und für den Durchgang freizulassen.

An Institutionen für Sehbehinderte und Blinde sind Ampeln mit Akustiksignalen verpflichtend. Sie erleichtern damit die Querung der Strasse. Neue Ampelanlagen werden generell mit einem Akustigsignal versehen.

Mehr Informationen gibt es beim Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband.

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Basel, 05.07.17