«App als digitaler Footprint-Coach»

Joël Baumgartner, Produktentwickler bei der Basler Energieversorgerin IWB, verrät uns im Interview, was es mit der neu lancierten App «enerjoy» auf sich hat, was jeder einzelne gegen den Klimawandel unternehmen kann und in welcher Verbindung die Mobilitätswoche zu dieser App steht.

16190 enerjoy app Basel unterwegs

Herr Baumgartner, was können wir uns unter enerjoy vorstellen?

enerjoy ist ein digitaler CO2-Footprint Coach, mit welchem der Nutzer seine Handlungen im Alltag tracken und deren Einfluss auf das Klima entdecken kann. Auf Basis dessen erhält er hilfreiche Tipps und Motivationsanstösse, um die persönlichen CO2-Emissionen im Alltag effektiv und nachhaltig zu verringern. Die App wurde von der IWB lanciert und ist seit Juni diesen Jahres auf dem Markt.

 

Was ist die Kernidee der App?

Wir zeigen unseren Kunden auf, wie viel Energie sie Zuhause und in ihrem Alltag brauchen und wie viel CO2 dabei ausgestossen wird. Die App soll bewusst machen und Hoffnung wecken, dass wir im Hinblick auf den Klimawandel als Gesellschaft etwas verändern können – denn jeder Endkonsument kann einen Beitrag dazu leisten.

 

Wer braucht diese App?

In erster Linie sprechen wir Leute an, die sich für Nachhaltigkeit interessieren. Wir sehen es nicht als unsere Aufgabe, Menschen für Umweltthemen zu sensibilisieren, denen dieses Thema egal ist. Vielmehr geht es uns um Menschen, die etwas tun wollen, aber nicht wirklich wissen was. Kurz: enerjoy ist ein Tool für Eco-Heroes.

 

Das diesjährige Motto der europäischen Mobilitätswoche lautet «Zero-Emission mobility for all». Inwiefern passt enerjoy zur Mobilitätswoche?

enerjoy misst den CO2 -Verbrauch der eigenen Mobilität. Spannend dabei ist, dass die App anhand zurückgelegter Distanzen Vorschläge aufzeigt, wie der CO2-Austoss hätte verringert werden können. Direkte Vergleiche veranschaulichen zudem, wie viel CO2 eingespart werden könnte, hätte der User beispielsweise dieselbe Distanz mit dem Velo statt mit dem Auto zurückgelegt. Weiter kann der Nutzer die Emissionen einer spezifischen Fortbewegung mit den Emissionen anderen Handlungen dieses Tages vergleichen, wie beispielsweise dem Verzehr eines Hamburgers oder dem Waschen der Kleidung. Und da wird es interessant für den Nutzer: die Zahlen erhalten eine Bedeutung.

 

Welche Vorteile erwarten mich als Enerjoy-Mitglied?

enerjoy gibt es als kostenlose Schnupper-Version und als Vollversion in Form einer Mitgliedschaft. In der Schnupper-Version stehen alle Funktionalitäten in den Bereichen «Mobilität» und «Ernährung» zur Verfügung. Mit der Mitgliedschaft kommen die Bereiche «Energie» und «Konsum» dazu. Zudem wird pro Monat Mitgliedschaft für den Nutzer einen echten Baum gepflanzt, dessen Negativemissionen direkt von seinem CO2-Footprint abgezogen werden.

 

Was macht diese App einzigartig?

Joël Baumgartner: enerjoy ist weltweit die erste App, die Daten einer Person gesamtheitlich betrachtet – inklusive Präferenzen und Verhalten. Anhand dessen werden einfach und verständlich Tipps vermittelt, welche sofort umsetzbar sind. Damit machen wir wissenschaftliche Inhalte verständlich – und das auf eine motivierende und humorvolle Art.

 

Auf was kann ich heute verzichten, um bereits morgen Resultate zu erzielen?

Ein Interkontinentalflug ist verheerend. Mit nur einem Flug verbrauche ich als Mensch das doppelte an CO2, wie ich pro Jahr für mich beanspruchen dürfte, um den Klimawandel zu begrenzen. Stattdessen sollte man den Zug oder den Reisebus nehmen. Pauschal gilt, dass der Verzicht auf Fleisch, Fast Fashion und Auto fahren am effektivsten ist. Etwas vom umweltschädlichsten was man überhaupt tun kann, ist alleine Auto zu fahren. Dadurch geht der ganze CO2-Footprint einer Fahrt auf eine einzige Person. Fahrgemeinschaften bilden eine gute Alternative. Aber auch der Verzehr von saisonalen und lokal produzierten Esswaren hilft. Reis weist einen sehr hohen CO2-Footprint auf. Er wächst auf Feldern, die unter Wasser stehen. Dieses Wasser wiederum begünstigt einen Abbauprozess, von organischen Materialien. Durch diesen Vorgang gelangt Stickstoff in die Atmosphäre, ein Treibhausgas. Reis hat einen ähnlich hohen CO2-Footprint wie beispielsweise Fisch oder Geflügel!

 

Sie werben mit «Kompensiere die übriggebliebenen CO2-Emissionen durch Umweltprojekte». Was ist damit gemeint?

Die Funktion dazu werden wir erst noch in der App implementieren. Der Nutzer soll ausgestossene CO2-Emissionen kompensieren können, indem ein Geldbetrag in Umweltprojekte fliesst. Wird beispielsweise ein Projekt in Afrika für effizientere Heizöfen unterstützt, wird das eingesparte CO2 – bedingt durch das eingesparte Holz – dem Nutzer gutgeschrieben. Dies führt zu einer Kompensation des eigenen Footprints.

 

Ist dieser Vorgang nicht bloss eine Verlagerung des Problems?

Richtig. Aber andererseits sprechen wir von einem globalen Problem, dass auch global gelöst werden muss. Ein Flug auf Miami kann beispielsweise bereits mit etwa 45 Franken kompensiert werden. Dies entschuldigt zwar keine umweltschädlichen Handlungen, aber wenn schon nicht aufs Fliegen verzichtet werden kann, sollte dies zumindest kompensiert werden. Jeder Mensch sollte einen möglichst grossen Beitrag dazu leisten, den CO2-Ausstoss zu minimieren.

 

Für jedes Mitglied wird monatlich ein Baum gepflanzt – welcher Nutzen zieht man daraus?

Diese Bäume ziehen CO2 aus der Atmosphäre, das wiederum dem Mitglied auf der App gutgeschrieben wird. Somit sehe ich laufend, welchen Nutzen die bereits gepflanzten Bäume haben.

 

Wo werden diese Bäume gepflanzt?

Wir arbeiten mit dem Unternehmen Tree-Nation zusammen. Sie pflanzen weltweit Bäume, dort wo sie am dringendsten benötigt werden. Bei diesem Projekt sind viele lokale Organisationen involviert, die sich vor Ort auskennen. Sie stellen sicher, dass auch das nötige Wissen vermittelt wird. Die lokalen Bauern haben ein grosses Interesse daran, dass es diesen Nutzbäumen gut geht, da diese deren Arbeitsplätze und auch das Einkommen sichern.

 

Wie viele Leute benutzen die App bereits?

Mittlerweile sind wir bei 2’000 Mitgliedern innerhalb zwei Monaten und zirka 45 Registrationen pro Tag.

 

Warum hat IWB diese App entwickelt und welchen Nutzen generiert sie für sich?

IWB war schon immer eine Pionierin im Bereich nachhaltiger Energie. Da die Energieberatung ein wesentliches Standbein von IWB ist, wurde schon seit längerem an möglichen digitalen Lösungen für einen bewussteren Umgang mit Energie gesucht. Mit enerjoy entsteht ein Produkt, welches die verschiedenen Aspekte der Energieberatung, Dekarbonisierung und Digitalisierung vereint und so zur Sensibilisierung beiträgt.

 

Herr Baumgartner, vielen Dank für das äusserst lehrreiche und interessante Gespräch.

Weitere Informationen zu «enerjoy» unter https://www.enerjoy.ch/.

Hast du Interesse an umweltfreundlicher Fortbewegung? Dann besuche uns an der Mobilitätswoche – 14. bis 20. September 2020. Das ganze Programm unter www.basel-unterwegs.ch/mowo.