Bevor wir nicht nur in den Fluss, sondern auch mitten ins Thema springen, sei angemerkt: Das Schwimmen im Rhein ist nur etwas für geübte Schwimmerinnen und Schwimmer – das gilt auch weiterhin nach Ende des offiziellen Verbots wegen des zu hohen Pegelstands. Ein kurzer Blick auf die offiziellen Empfehlungen des Kantons kann sicher nicht schaden. Und jetzt geben wir das Mikrofon weiter an Tilo Ahme.
Tilo, jeden Sommer sieht man im Rhein viele Menschen mit einem Wickelfisch. Fällt dir das eigentlich noch auf?
Ja klar, das habe ich noch nicht abgelegt. Es gibt ja die unterschiedlichsten Schwimmsäcke und wenn ich am Rhein bin, kucke ich immer, mit welchen Modellen die Leute unterwegs sind. Ich erinnere mich auch gut an den sogenannten «Jahrhundertsommer» im Jahr 2003, der für einen grossen Durchbruch sorgte: Es war so heiss, dass mehr oder weniger aus Verzweiflung alle in den Bach gesprungen sind. Das Rheinschwimmen als regelrechte Massenbewegung gibt es im Grunde erst seit dieser extremen Hitzewelle.
Rheinschwimmen ist keine Selbstverständlichkeit
Wie bist du damals auf die Idee mit dem Wickelfisch gekommen? Bist du selbst passionierter Rheinschwimmer?
Ich komme ursprünglich aus der ehemaligen DDR. Dort waren die Flüsse, und zwar ausnahmslos alle, reine Kloaken. Damals kursierte der Witz: Wenn du den Film aus deiner Fotokamera entwickeln möchtest, musst du ihn nur in den Fluss halten. Als ich 1996 nach Basel kam, konnte ich es gar nicht fassen, dass die Leute im Rhein schwimmen. Weil die vorhandenen Schwimmsäcke nicht wirklich befriedigend waren, kam ich auf die Idee, etwas Neues zu entwickeln. Als Kooperationspartner habe ich die IWB mit ins Boot geholt – und der Rest ist Geschichte.
Hat es denn der Wickelfisch auch über Basel hinaus geschafft?
Ja, das hat er, zum Beispiel nach Bern. Grundsätzlich ist er vor allem dort interessant, wo man im Fluss schwimmt und seine Sachen mitnehmen muss. Da nimmt die Schweiz eine absolute Sonderstellung ein, weil man in kaum einem anderen Land so selbstverständlich in sauberen Flüssen schwimmen kann. Irgendwann wurde das so gross, dass es den Rahmen meines Unternehmens gesprengt hätte. Deswegen habe ich die Marke dann verkauft.
Der saubere Fluss als Freizeitbeschäftigung
Du hast die Sauberkeit unsere Flüsse angesprochen. Dazu leistet du ja auch selbst einen Beitrag.
Richtig. Wir haben in Basel wunderbare Ein- und Ausstiegsstellen am Rhein. Nur landen leider gerade dort viele Gläser, Flaschen und andere unerwünschte Gegenstände im Fluss. Das Rheinbord wird zwar geputzt, aber was unter Wasser ist, sieht man nicht, entsprechend bleibt stellt eine Gefahr dar. Ein guter Freund ist eine Scherbe getreten und hat sich eine Sehne durchtrennt. Das war für mich der Anlass, mit unseren Putzaktionen zu starten. Mittlerweile mache ich das mit Jugendlichen im Rahmen unseres Juniorateliers.
Was zieht ihr denn ausser Flaschen und Gläsern so alles aus dem Wasser?
Das ist wirklich erstaunlich. Zum Beispiel haben wir schon Geissfüsse und anderes Einbruchswerkzeug herausgefischt. Ausserdem eine schöne Auswahl teils recht teurer Sonnenbrillen war dabei.
Was hat es mit dem Junioratelier auf sich?
Wegen Covid-19 fielen viele Angebote für Kinder und Jugendliche weg, unter anderem eines, in dem ich persönlich engagiert war. Weil mir das Thema sehr am Herzen liegt, haben meine Frau und ich entschieden, einen Verein zu gründen. Mittlerweile sind zahlreiche weitere Personen hinzugekommen. Vor allem geht es uns darum, Kinder und Jugendliche von den elektronischen Medien weg in die reale Welt zu holen. Dazu greifen wir verschiedene Themen auf, das Rheinputzen ist nur eines davon.
Welche Projekte gibt es ganz konkret?
In Zusammenarbeit mit zwei Museen bieten wir Projektwochen an, wir veranstalten einen Wettbewerb für Mode aus Second-Hand-Kleidung und Recycling-Objekten, und wenn alles nach Plan läuft, wird es am 29. August wieder ein Seifenkistenrennen geben.
«Wieder» ein Seifenkistenrennen?
Ja, die Idee habe ich aus Leipzig mitgebracht. Das letzte Seifenkistenrennen am Spalenberg haben wir 2007 durchgeführt. Jetzt sind meine Kinder alt genug, dass ich nicht mehr nur am Sandkastenrand stehe, wenn ich mit ihnen Zeit verbringen möchte. Deswegen habe ich auch diese Idee wieder aus der Schublade geholt. Es geht dabei nicht um Hundertstelsekunden, sondern vor allem um Kreativität, um den Einsatz von Recycling-Material und um den Spass an der Sache.
Fährst du selbst auch mit?
Nein, als Teil der Rennleitung werde ich alle Hände voll zu tun haben, auch meine Söhne werden dabei helfen. Aber meine Tochter wird für die Familie an den Start gehen!
Das Velo als Sammlerobjekt
Wenn nicht mit der Seifenkiste, wie bist du sonst in Basel unterwegs?
Zusammen mit dem Wickelfisch-Geschäft habe ich mein Auto gleich mit verkauft. Seither bin ich ein riesiger Fan dieser Kistenvelos. In Basel ist es ja augenscheinlich ein Trend, mit dem Velo zu fahren, und speziell die Cargobikes stehen ganz hoch im Kurs. Ich verzichte auch gern auf den Elektromotor, dann bekommt man Fitness pur. Meine Kinder waren anfangs nicht ganz so begeistert, dass ich das Auto abschaffen wollte – meine Tochter meinte: «Sag bitte, dass das nur ein böser Traum ist.» Aber mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt. Wir wohnen mitten in der Stadt bei der gut ausgebauten Infrastruktur brauchen wir einfach kein Auto. Dafür habe ich mittlerweile eine kleine Velokollektion zuhause, auf die ich richtig stolz bin.
Also bist du zum Bike-Connaisseur geworden?
Vermutlich kann man das so sagen. Ich liebe schöne, alte Velos; das sind Design-Objekte, regelrechte Männerspielzeuge, die heute genau wie Auto-Oldtimer zelebriert werden. Gerade erst habe ich mir wieder ein tolles Velo auf einem Online-Marktplatz gekauft, ein Rennvelo aus Carbon aus den 80ern. Das irgendwann einmal einem Profi gehört, und da fahre ich natürlich auch gleich viel schneller, wenn ich das weiss.
Tilo, vielen Dank und weiterhin immer gute Fahrt und viel Erfolg!
Titelbild: Basel Tourismus