
Stefan Pozner trägt als stellvertretender Leiter der Stadtreinigung die Verantwortung für das Gebiet Ost. Damit ist er zuständig für die Sauberkeit, die Kehrichtabfuhr und in der kalten Jahreszeit auch für die Einsätze des Winterdiensts. Wir haben uns mit ihm über kurze Nächte, Prioritätenlisten und die Verlässlichkeit von Wetterprognosen unterhalten.
Herr Pozner, bei einem Wintereinbruch können nicht alle Strassen gleichzeitig von Eis und Schnee befreit werden. In welcher Reihenfolge gehen Sie vor?
Unser Auftrag ist sicherzustellen, dass die Strassen auch bei winterlichen Verhältnissen genutzt werden können. Dafür haben wir eine Prioritätenliste, die auf der Norm des Verbands der Schweizerischen Strassenfachleute beruht. Sie legt fest, in welcher Zeit welche Strassen geräumt sein müssen. Zur Dringlichkeitsstufe 1 gehören beispielsweise die sogenannten Notfallachsen, aus denen Polizei, Feuerwehr und Sanität sich bewegen, sowie die ÖV-Verbindungen und die Velopendlerrouten.

Sie schreiten aber nicht erst ein, wenn es geschneit hat oder gefriert– Sie arbeiten auch präventiv, richtig?
Jein. Das Gesetz erlaubt präventive Einsätze, von den Nationalstrassen abgesehen, nur in kritischen Wetterlagen respektive an gefährlichen Stellen. In Basel ist das gesamte Strassennetz engmaschig mit Glatteisfrühwarnstationen ausgerüstet, zusätzlich lassen wir eigene Wetterprognosen erstellen. So können wir gut abschätzen, wann es zu einer solchen kritischen Lage kommt. Dabei interessiert uns vor allem der sogenannte Taupunkt, ab dem sich Feuchtigkeit auf der Strasse bildet, die später gefrieren kann.
«Völlig vor Überraschungen geschützt ist man nie.»
Neben der Eisglätte, die Sie ansprechen, gehört auch das Schneeräumen zum Winterdienst.
Richtig – und den Schnee können wir noch nicht präventiv räumen. Das Worst-Case-Szenario erleben wir, wenn es schneit und gegen Morgen gefriert. Dann müssen wir alles auslösen – und «alles» bedeutet: fünf Kleinfahrzeuge und sieben Lastwagen. Alle haben je rund 3 Tonnen Salz geladen, von denen nichts mehr zurück ins Depot kommt. Bei einem Präventiveinsatz hingegen kommen wir mit insgesamt rund 200 bis 300 Kilogramm aus. Deswegen sind die guten Prognosen, über die wir heute verfügen, so wertvoll. Aber völlig vor Überraschungen geschützt ist man nie.
Trotz aller Prognosen?
Ja, auch wenn die Präzision kontinuierlich steigt. Eine gewisse Unsicherheit bleibt bei Vorhersagen für die Zukunft immer. Am Ende liegt es auch an uns, die Daten richtig zu interpretieren. Für Schneefall etwa wird uns jeweils eine Wahrscheinlichkeit angegeben. Liegt diese beispielsweise bei 60 Prozent, bedeutet das: Tritt diese Konstellation zehnmal auf, wird es sechsmal schneien – und viermal nicht. Dann müssen wir abwägen, wie wir uns vorbereiten wollen.
Wie läuft ein Notfalleinsatz ab, wenn er einmal nötig ist?
Wenn eine der Notfallorganisationen – also Sanität, Feuerwehr oder Polizei – eine Stelle mit Eisglätte bemerkt, meldet sie dies der Autobahnpolizei, die wiederum uns informiert. Wir kontaktieren unsere Mitarbeitenden über ein eigenes Alarmsystem. Ab der zweiten Novemberwoche existiert bei uns ein rotierender Pikettdienst mit je vier Personen pro Fahrzeug. Zudem gibt es 14 Zweiergruppen, die für die BVB-Haltestellen verantwortlich sind.
Welche Mitarbeitenden werden dafür aufgeboten?
Tatsächlich alle, sogar die Mitarbeitenden aus der Administration. Damit ermöglichen wir, dass niemand länger als zwei Wochen am Stück Pikettdienst leisten muss.

«Das nächste Ziel ist, die Einsatzfahrzeuge auch digital zu steuern.»
Gibt es in Basel besonders gefährdete Stellen für Eisglätte?
Kunstbauten und vor allem Brücken müssen wir am genausten beobachten. Dafür haben wir vor einigen Jahren ein stadtweites Thermal Mapping für die Strecken der ersten Dringlichkeitsstufe erstellt. Dieses ermöglicht eine Prognose, wann welche Brücke gefroren sein könnte. So entsteht ein dynamischer Wetterbericht, auf dessen Basis wir arbeiten.
Das klingt alles schon sehr digitalisiert.
In der Prognose und in der Einsatzplanung trifft das zu, ja. Das nächste Ziel ist, die Einsatzfahrzeuge auch digital zu steuern, sodass die Salzstreuung entsprechend der Anforderungen und Gegebenheiten exakt angepasst werden kann.
Herr Pozner, herzlichen Dank für dieses Gespräch und die Einblicke in Ihre Arbeit.
Basel, 17.01.2024